Gastbeitrag von Marisa Becker

Nachhaltigkeit ist in. “An die Zukunft zu denken” gehört inzwischen für Unternehmen zum guten Ton, weshalb sich immer mehr mit grünen Federn zu schmücken versuchen. Auch, wenn ihnen diese eigentlich nicht gebühren.Wenn Firmen versuchen, sich durch Geldspenden, PR-Maßnahmen o.ä. als besonders nachhaltig und sozial darzustellen, es aber eigentlich gar nicht sind, dann spricht man von Greenwashing. Aber wie erkennt man eigentlich, ob ein Unternehmen es ernst meint oder nur vordergründig nachhaltig agiert?


Mit Grün das große Geld machen

Immer mehr Firmen bemühen sich darum, verunsicherte Verbraucher*innen davon zu überzeugen, dass sie sich ihr schlechtes Gewissen sparen und beherzt bei ihren Produkten zugreifen können. Dieses Engagement ist wenig verwunderlich, denn für 70 Prozent der Verbraucher*innen spielt Nachhaltigkeit beim Einkauf eine Rolle – wenn auch eine sehr unterschiedliche, wie eine Untersuchung von Facit Research ergeben hat. Trotzdem lässt sich ein ganz eindeutiger Trend beobachten, und zwar hin zu einem bewussteren Konsum. Daran wollen natürlich auch die großen Player im Business verdienen. Und sie scheuen sich nicht, ihre Kund*innen dafür ordentlich hinters Licht zu führen.

Da wäre zum Beispiel ein großer Kosmetikhersteller, der durch seine zeitweise ziemlich progressiven Kampagnen mit Frauen* verschiedener Körpertypen bekannt geworden ist. Dieser Hersteller brachte vor einigen Jahren eine Naturkosmetik-Linie auf den Markt. Die Duschen sind vegan und nach ECO CERT-Standard zertifiziert. Das Problem: Die Naturkosmetik-Linie ist eine zusätzliche Kollektion. Alle anderen Produkte enthalten nach wie vor äußert problematische Inhaltsstoffe wie Carbomer (schwer abbaubares Polymer).  Das spricht dafür, dass dieses Unternehmen sich nicht ernsthaft verändern, sondern ins grüne Business einsteigen will.


Greenwashing bei Campingzubehör

Auch im Segment des Campingbedarfs gibt es reichlich Beispiele für Greenwashing. Wie zum Beispiel das eines Campingmöbel-Herstellers, welcher deutsches Holz verarbeitet. Was erstmal gut klingt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Augenwischerei: Denn produziert wird in China. Das deutsche Holz wird also nach China verschifft, dort verarbeitet und wieder zurückgesendet. Nachhaltig ist das nicht.


Wenig durchdacht scheint auch das Konzept eines Herstellers, der seine Produkte als nachhaltig bewirbt, weil recycelte PET-Flaschen verwendet würden. Ob es sich um Pre- oder Post-Consumer PET-Flaschen handelt, lässt das Unternehmen dabei offen. Produziert wird auch hier in China, und zwar Campingstühle, die zum Billigsegment zählen und nicht reparierbar sind. Ob diese nachhaltig werden, weil man ihnen einen Bezug aus recyceltem PET überzieht? Eher nicht.

Eine lukrative Lüge für Großkonzerne

Problematisch ist auch, dass viele der Unternehmen, die Nachhaltigkeit als Business sehen, Teil von Großkonzernen sind. Es gibt keinen Großkonzern, der es richtig ernst mit der Nachhaltigkeit nimmt – aber alle werben sie damit, obwohl sie zahlreiche Leichen im Keller haben.

Es gibt etliche absurde Beispiele: Coca-Cola pumpt in zahlreichen Ländern des Globalen Südens die lokalen Trinkwasservorkommen aus dem Boden, um sie den Einheimischen dann für ein Vielfaches des Geldes zu verkaufen.

Der Ölkonzern Shell wirbt mit CO2-neutralem Sprit. Aus diesem Grund sind Firmen, die zu einem Großkonzern gehören, und deren „nachhaltige“ Produkte immer mit Vorsicht zu genießen – denn die Gewinne fließen auch in den nicht-nachhaltig agierenden Mutterkonzern.


Ähnlich sieht es übrigens mit großen Plattformen wie Amazon & Co. aus. Mit jedem Kauf dort unterstütze ich die Geschäftspraktiken des Unternehmens, egal wie nachhaltig das gekaufte Produkt ist. Es lohnt sich also nachzusehen, ob man dasselbe Produkt nicht auch bei einem kleineren, durchweg nachhaltigen Anbieter kaufen kann.


Trotzdem kann man Großkonzerne und deren Töchter natürlich nicht ignorieren. Denn diese haben eine enorme Marktmarkt und werden nicht einfach verschwinden. Das zu glauben, wäre naiv. Man kann und soll in den Dialog treten, aufrichtige, tiefgehende Veränderungen fordern. Denn gerade die großen Player haben auch einen großen Impact und vor allem die Mittel, um etwas zu verändern. Aber das wollen viele nicht und kaufen sich stattdessen über smartes Influencer-Marketing direkt in die Zielgruppe ein. So bringen sie ihre “grünen” Produkte authentisch unter die Leute, ohne etwas an ihrer Geschäftspraktik ändern zu müssen.


Grüne Influencer*innen tragen Greenwashing mit

Dass zunehmend Influencer*innen dafür benutzt werden, diese Produkte zu vermarkten, stellt ein riesiges Problem dar: Denn so wird Greenwashing normalisiert. Wenn uns Menschen, die uns tagtäglich durch ihren Alltag mitnehmen, authentisch weis machen, dass Produkt X und Y wirklich nachhaltig produziert wurden, dann glauben wir das. Und zwar auch dann, wenn es sich um das Naturkosmetik-Duschgel vom Großkonzern handelt. Es ist aber auch verlockend, wenn man, um “nachhaltig” zu handeln, einfach einen Slot im Regal weiter greifen muss, statt wirklich etwas am eigenen Verhalten zu ändern. Das ist klar. Klar ist aber auch, dass die Influencer*innen ihrer Verantwortung durch das unkritische Vermarkten dieser Produkte absolut nicht gerecht werden.

Problematisch ist außerdem, dass einige kritische Kommentare sogar löschen, statt sich der Kritik zu stellen und in den Dialog zu treten. Und so wird weiter munter für Synthetik-Kleidung, Schuhe von großen Sportkonzernen und Unternehmen, die ihre bereits ausgelösten Aufträge bei Firmen im Globalen Süden wegen Corona nicht bezahlt haben, geworben. Ganz unkritisch.


Aber nicht nur große Firmen wollen am grünen Hype verdienen. Nein, auch kleine Start Ups inszenieren sich gerne als nachhaltige Heilsbringer. Dabei darf man eines nicht vergessen: Man kann sich nicht grün konsumieren. Eine nachhaltige Entscheidung für einen Kauf ist nur dann nachhaltig, wenn man dieses Produkt sonst in konventionell gekauft hätte. Sprich: Wenn man ein T-Shirt kauft, um einen Baum zu pflanzen, dann ist das nicht nachhaltig. Egal, wie viele Siegel das Shirt trägt. Wenn man aber ein T-Shirt braucht und sich dann für dieses Shirt entscheidet, ist das eine ganz andere Nummer. Allerdings lässt sich hier die Frage stellen: Einen Baum zu pflanzen kostet bei manchen Anbietern wenige Cents. Bei einem Produkt, dass beispielsweise 29,90 Euro kostet, ist fraglich, ob die wenigen Cents wirklich eine so große Wohltat sind. Und auch, wie ernst es den Unternehmen ist. Und die Frage, ob die Bäume überhaupt das Alter erreichen, um die angepriesene Klimawirkung zu entfalten, haben wir bis dato noch gar nicht behandelt. Aber das wäre ein Beitrag für sich.


Es gibt also verschiedene Taktiken, mit denen Firmen versuchen, Greenwashing zu betreiben. Dazu zählt die Verwendung ungenauer Begriffe, die Verharmlosung von Problemen (z.B. Bio-Tabak, der natürlich trotzdem schädlich ist), selbst erfundene Label, das Werben mit Eigenschaften, die nichts Besonderes sind oder das Tätigen unbelegter Werbeaussagen.


Auch Bluewashing zunehmend ein Problem

Übrigens stellt nicht nur Greenwashing zunehmend ein Problem dar, sondern auch Bluewashing. Bluewashing meint, dass Produkte statt mit nachhaltigen Attributen mit sozialen Attributen in Verbindung gebracht werden. Ein Beispiel ist der Global Compact der UN. Dieser ist kaum mit Verpflichtungen verbunden, wenn man Mitglied werden will. So kann er leicht zu Werbezwecken missbraucht werden.
Es gibt also viele Mittel, die Unternehmen einsetzen, um besser zu wirken, als sie sind, und mit denen Verbraucher*innen gezielt getäuscht werden sollen. Damit Ihr in Zukunft besser einschätzen könnt, wie ernst es ein Unternehmen meint und wie nachhaltig bestimmte Produkte sind, haben wir hier einige Tipps für Euch zusammengefasst:

  • Prüft genau, ob das Konzept des Unternehmens ganzheitlich nachhaltig angelegt ist. Wird zum Beispiel auch eine nachhaltige Bank genutzt oder liegt das Geld bei einer konventionellen Bank, die unter Umständen mit Waffen handelt? Gibt es eine Zukunftsvision für den Gesamtkonzern oder werden nur einzelne Produkte auf den Markt gebracht?
  • Wird ein nennenswerter Anteil des Produktpreises in ein soziales/nachhaltiges Projekt investiert oder nur ein verschwindend geringer Teil, während der Großteil als Gewinn in der Unternehmenstasche landet?
  • Schaut euch das ganze Produkt an, und zwar von den Rohstoffen über die Produktion und Verwendung bis hin zur Entsorgung: Wurde hier an allen Punkten konsequent nachhaltig gedacht?
  • Wie transparent agiert das Unternehmen? Kann ich die o.g. Informationen auf der Website finden oder bekomme zumindest vom Kundenservice entsprechende Zahlen geliefert oder wirkt alles schwammig? Wer nichts zu verbergen hat, der kann auch umfassend und transparent erzählen. Vor allem bei kleinen Unternehmen hilft Nachfragen sehr gut.
  • Gibt es Siegel/unabhängige Unternehmen oder Stellen, die die Aussagen des Unternehmens belegen? Oder werden hier nur eigene Maßstäbe angelegt?
  • Wie wurde das Unternehmen in der Berichterstattung bisher erwähnt? Ist es oft negativ aufgefallen? Wofür steht das Unternehmen?
  • Ist die Argumentation konsistent? Unseriös wird es, wenn sich die Unternehmen selbst widersprechen. Nachhaltige Kleidung besteht zum Beispiel in der Regel nicht aus einem Kunstfaser-Baumwolle-Mix und ist dadurch quasi nicht recyclebar.

 

 

Gastbeitrag von

Marisa Becker

Schreibt und denkt hauptberuflich zu Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes. Instagram: @mysustainableme